Durch eine Veranstaltung des IK NEP bin ich auf die Jahrestagung des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) /1/ aufmerksam geworden. Ich war gespannt auf den angekündigten Beitrag des Bundeswirtschaftsministers. Aber zuerst etwas für mich Grundlegendes. Robert Habeck ist ein charismatischer Mensch und ist von seinem Tun und Handeln fest überzeugt. Er ist ein Überzeugungstäter.
Er definiert seine Aufgabe, seinen Job, so: Zitat
Job des Politikers… ist nicht der bessere Fachmann (zu sein), sondern der das, was wissenschaftlich notwendig ist, aber keine gesellschaftliche Mehrheit hat, zu übersetzen und in eine gesellschaftliche Mehrheit zu überführen.
Zwei Kernaussagen:
„Was wissenschaftlich notwendig ist.“
Grundsätzlich beruht Wissenschaft nicht auf einer Mehrheitsmeinung. Es gibt im Rahmen einer wissenschaftlichen Diskussion immer, abhängig von unterschiedlichen Perspektiven, unterschiedliche Bewertungen von Sachverhalten.
„Keine gesellschaftliche Mehrheit!“
Herr Habeck verbreitet eine Ideologie, d. h. ein Weltbild, das seiner Meinung nach das einzige Richtige ist. Er stützt sein Weltbild durch wissenschaftliche Aussagen und Untersuchungen, die eben diese Weltsicht stützen. Die Vielfalt der wissenschaftlichen Diskussion wird dabei ausgeblendet. Nun erinnert mich das an die vergangenen DDR-Zeiten. Die Vorgehensweise ist heute wie damals die gleiche:
Wir erklären dir jetzt das Problem, weil du es noch nicht verstanden hast. Wir müssen dich überzeugen. Wenn uns das nicht gelingt, bist du unser Gegner, unser Feind.
Wir sind ganz klar der Auffassung, dass wir die Vielfalt erneuerbarer Energien nutzen sollen und müssen. Aber eben nicht um jeden Preis. Wenn wir unserer Natur und Umwelt unabsehbaren Schaden zufügen, wenn wir unsere Sicherheit und unsere Lebensgrundlagen gefährden, sind alle roten Linien überschritten. Dafür wird es keine gesellschaftliche Mehrheit geben.
Was ist nun eigentlich die erste, die vornehmste Aufgabe der handelnden, von uns gewählten, Politiker? Nach Art. 64, Art. 65 GG leisten die Mitglieder der Bundesregierung einen Amtseid:
„Ich schwöre, dass ich meine Kraft dem Wohle des deutschen Volkes widmen, seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden, das Grundgesetz und die Gesetze des Bundes wahren und verteidigen, meine Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegen jedermann üben werde. So wahr mir Gott helfe.“
Aber:
Eine etwaige Zuwiderhandlung ist weder gerichtlich angreifbar noch strafbar.
Was erwarten wir als Bürger nun konkret von den Verantwortlichen?
Wir erwarten als Bürger dieses Landes, dass unser grundsätzliches Dasein, also die Sicherung unserer Lebensgrundlagen, durch das Handeln unserer Politiker und unserer Regierung gesichert wird. Das ist öffentliche Daseinsvorsorge.
Dazu zählen die Wasser- und Energieversorgung, Abwasser- und Müllbeseitigung, die medizinische Grundversorgung, Bildungseinrichtungen, Kindergärten, die Kommunikation, das Angebot und der Ausbau des öffentlichen Verkehrs und vieles andere mehr.
Zur genannten Energieversorgung zählt ganz besonders eine unter allen denkbaren Umständen sichere Stromversorgung. Ohne Stromversorgung gibt es gar keine öffentliche Daseinsvorsorge.
Jede Maßnahme, die unsere Stromversorgung beeinträchtigt oder gefährdet, ist ein Verbrechen an unserem Volk. Sie gefährdet die Existenz der ganzen Gesellschaft, wie wir sie heute kennen. Es ist also die Aufgabe der Regierung, der zuständigen Ministerien bis hin zur Bundesnetzagentur für diese Sicherheit zu sorgen. Wir haben es jedoch mit einem liberalisierten Strommarkt zu tun.
Die Liberalisierung des Strommarktes
ermöglicht freien Wettbewerb in Stromerzeugung und Stromhandel.
Diese Liberalisierung hat Folgen. Erforderlich ist nun ein Um- und Ausbau der Stromversorgungsnetze. Der Begriff der Kupferplatte wird geboren. Die Kupferplatte umschreibt das Ziel, von jeder Stelle des Netzes zu jedem Verbraucher im Netz uneingeschränkt jede gewünschte Menge Strom zu liefern. Der Umbau läuft, aber gerade aus dem Ruder. Die gigantischen Kosten von gegenwärtig mehr als 300 Milliarden Euro ohne Finanzierungskosten sind vor allem zukünftig unbezahlbar.
Vor einiger Zeit wurden durch die Netzbetreiber zwei Betriebsarten für den Netzbetrieb geprägt. Eine netz- und eine marktdienliche Betriebsweise. Die erste beschreibt einen möglichst verlustarmen Netzbetrieb. Ein solcher Netzbetrieb ist auch sicher, da er grenzwertige Situationen nach Möglichkeit vermeidet.
Die marktdienliche Betriebsweise versucht unter allen möglichen Umständen den Marktauftrag der uneingeschränkten Stromübertragung umzusetzen. Da der kupferplattenartige Netzausbau nicht möglich ist, wird es physikalisch bedingte Netzengpässe geben. Das wird durch sogenannte Redispatchmaßnahmen gelöst. Das heißt nichts anderes, dass nun ein netzdienlicher oder netzmöglicher Betriebszustand hergestellt wird. Redispatchmaßnahmen sind teuer, lt. Aussage BnetzA 2023: vier Milliarden Euro. Netzdienlich wird nun, richtigerweise, als systemdienlich bezeichnet.
Der Begriff „Systemdienlichkeit“ wird im Rahmen der Podiumsdiskussion von
Dr. Georg Stamatelopoulos, CEO EnBW Energie Baden-Württenberg genannt. Ein Kapazitätsmarkt existiert noch nicht. Probleme bereitet die Finanzierung neuer Kraftwerke. Ohne entsprechende Förderung durch den Staat würde es möglicherweise keinen Investor geben. Eine solche Förderung könnte durch die EU abgelehnt werden. Angedacht, noch keinesfalls geplant, sind 10 GW installierte Leistung in Form moderner wasserstofffähiger Gaskraftwerke. Auf die Frage, was wird, wenn nicht genügend Wasserstoff zur Verfügung steht, antwortet Herr Habeck: Dann nehmen wir halt Gas. (herkömmliches, fossiles Erdgas)
Was läuft eigentlich schief, Herr Habeck?
Niemand kann Sie doch daran hindern, im nationalen Interesse eine sichere und damit vorrangig systemdienliche Stromversorgung zu errichten? Ist das nicht eigentlich Ihre Pflicht? Vorrangig heißt: Nur wenn innerhalb einer Systemdienlichkeit noch Platz ist, kann es einen Strommarkt geben. Wir haben bereits jetzt erhebliche EE-Kapazitäten gebaut. Wir sind aber bis heute nicht in der Lage, diese vorhandenen Kapazitäten vollständig zu nutzen. Es fehlt vor allem zuerst an einem Plan und einem Konzept. Was wir brauchen, sind große Speicherkapazitäten und damit einen völlig anderen Netzausbau. Sie sagen, Sie dürfen die getroffenen Grundsatzentscheidungen nicht in Frage stellen. Sonst würde die Energieversorgung in Deutschland dramatisch viel teurer werden. Das halte ich für eine Realitätsverweigerung. In Ihrem Statement sagen Sie es ja selber: Zitat
„Kapazitätsmarkt ist immer eine Umlage auf die Netzentgelte, auf den Strompreis.“ Es macht die Energiepreise ein bisschen teurer. Es ist von den Verbrauchern subventioniert, möglicherweise zum Vorteil von Wirtschaft an anderer Stelle. „Das ist am Ende nicht wettbewerbsfähig.“
Was wir brauchen, ist ein Moratorium. Alles muss auf den Prüfstand. Fossile Kraftwerke müssen betriebsbereit in die Netzreserve überführt werden. Jedes fossile Kraftwerk, das ausschließlich dann betrieben wird, wenn es technisch erforderlich ist, emittiert in der Zwischenzeit weder CO2 noch verwendet es fossile Rohstoffe. Wenn es bei uns nicht so große Kapazitätslücken gibt, wie Sie behaupten, ist die Verwendung der Netzreserven sehr selten erforderlich. Können wir uns dann möglicherweise auch die Errichtung neuer Gaskraftwerke sparen?
/1/ Erneuerbare, Kraftwerksstrategie, Flexibilitäten & Co. | BDEW Kongress 2024 | 6. Juni 2024