Der Szenariorahmen zum Netzentwicklungsplan Strom 2037/2045, Version 2025

Die Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB) haben ihren neuesten Szenariorahmenentwurf zum Netzentwicklungsplan (NEP) 2037/2045, Version 2025, fristgemäß am 28. Juni 2024 an die Bundesnetzagentur (BNetzA) übergeben. Wir hatten den Text eigentlich schon im Januar 2024 erwartet. Von einer Fristverlängerung um ein halbes Jahr wussten wir nichts. Diese ist, im Nachhinein betrachtet, sehr gut nachvollziehbar. Inhaltlich gibt es in dem neuen Entwurf schließlich einige bemerkenswerte Änderungen.

Die BNetzA hat den Entwurf kurz nach Erhalt online gestellt und Anfang September 2024 zur öffentlichen Konsultation aufgerufen. Im Text wurde, abweichend davon, der Beginn der Konsultation bereits für Juli 2024 angekündigt. Wir bewerten diese Inkonsistenz der Aussagen eher als positiv, weil wir damit sehr viel mehr Zeit hatten, uns mit den Inhalten des Dokuments zu befassen.

Mündliche Konsultationstermine finden im Internet am 13. und 16.09.2024 statt, an denen jeder Bürger teilnehmen kann, nachdem er sich bei der BNetzA registriert hat. Darüber hinaus ist das Einreichen schriftlicher Stellungnahmen bis Ende September 2024 möglich. Unsere Stellungnahme ist bereits in Arbeit. Wir werden sie demnächst hier veröffentlichen.

Dem Text des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) $12a folgend, hatten die vier ÜNB auch diesmal das Recht des ersten Aufschlags zur weiteren Ausgestaltung der deutschen Höchstspannungs-Infrastruktur. Eine Gesetzeslage, die wir bereits mehrfach kritisiert haben. weil sie die ÜNB in die Lage versetzt, primär zu bestimmen, was sie am Ende selbst liefern.

Auch unsere anderen prinzipiellen Einwände, die wir seit Jahren gegen die von Großunternehmen initiierte und von der BNetzA politisch abgesegnete Ausgestaltung unserer Energiewirtschaft vorbringen, haben nach Lektüre dieses neuen Szenariorahmenenwurfs Bestand.

Einige Passagen des Textes signalisieren kleine Fortschritte in der Denkweise der zum Handeln aus erster Reihe berufenen ÜNB. Wir finden z.T. einige unserer früheren Kritiken inhaltlich berücksichtigt. Auch erscheint uns die Argumentation etwas präziser und schlüssiger zu sein als bei vorangegangenen Dokumenten.

Wir stellen insgesamt nicht in Abrede, dass es auch den ÜNB und den mit ihnen – wider aller Beteuerungen – immer noch eng verbundenen großen Energieerzeugern darum geht, die CO2-Emissionen soweit zu senken, dass das 1,5-Grad-Ziel des Pariser Klimaabkommens zumindest annähernd erreicht werden kann. Die Fakten, hier die sich häufenden extremen Wetterereignisse und die damit verbundenen wirtschaftlichen Schäden, sind ganz offensichtlich auch in deren Chefetagen angekommen.

Weiterhin teilen wir die Ansicht, dass Unternehmen, ob groß oder klein, Erträge erwirtschaften müssen. Wir erlauben uns lediglich, die Pläne, wie diese Erträge durch die ÜNB erzielt werden sollen, zu hinterfragen.

Offshore-Windkraft und Netzentgelte

Die grundlegende Agenda des neuen Szenariorahmenentwurfs läuft schließlich wiederum darauf hinaus, die Energiewende eher gegen als mit dem Bürger zu gestalten. Die Installation von 70+ GW Offshore-Windkraft halten wir für einen schweren strategischen Fehler, der vermeidbaren massiven Leitungsausbau nach sich ziehen wird. Wir unterstellen vor allem (aber nicht nur) in diesem Punkt, dass vordergründig die Befindlichkeiten der Großindustrie und deren Aktionäre bedient werden sollen. Betriebswirtschaftliche Interessen einzelner Unternehmen haben nach wie vor Vorfahrt vor volkswirtschaftlichen Notwendigkeiten.

Die vorhersehbare Belastung der Endverbraucher durch explodierende Netzentgelte, die bereits aktuell zu einem guten Viertel Bestandteil eines hohen Strompreises sind, halten wir für nicht hinnehmbar. Bei 10% Anhebung pro Jahr, wie zum Jahreswechsel 2023/24 geschehen, wird aus „nicht hinnehmbar“ für die Mehrzahl der Bürger sehr schnell ein „nicht mehr bezahlbar.“ Spätestens dann stünden die ÜNB vor der Erkenntnis, dass ihre Investitionen nicht die erwarteten Gewinne liefern.

Versorgungssicherheit

Mittlerweile und mit jedem Tag mehr müssen wir uns alle gemeinsam die Frage stellen, welche grundsätzliche Aufgabe die Energieversorgung für unser Land erfüllen muss. Die Antwort ist sehr einfach:

Die Energieversorgung ist Grundlage für die Funktion unserer Gesellschaft. Ist sie nicht ununterbrochen verfügbar, bricht unsere Gesellschaft in kürzester Zeit zusammen.

Permanente Energieversorgung ist keine Selbstverständlichkeit. Sie muss vielmehr ständig und verantwortungsvoll neu organisiert werden. Die Bedingungen hierfür haben sich in den letzten Jahren stark verändert. Der fortschreitende Klimawandel zwingt uns massiv zum Umdenken und alternativen Handeln. Wir sind gemeinsam zum Erfolg verurteilt. Anderenfalls droht der Kollaps unseres Gemeinwesens. Unter diesen Bedingungen könnte niemand mehr Erträge erwirtschaften.

Die Bürger in den Wandel einbeziehen

Dezentrale und fokussiert lokal designte Erzeugerstrukturen sind die gangbare Alternative zur Offshore-Wind-Gigantonomie. Bürger und Kommunen würden diese Alternative z.B. in Form von Bürgerenergiegenossenschaften oder kommunalen Gesellschaften verwirklichen; politischen Willen durch brutale Einkürzung der in diesem Umfeld wütenden Bürokratie und ein zielführendes Förderklima vorausgesetzt.

Wasserstoff

Die Betrachtung von Wasserstoff als angeblich immergrünen Energieträger der Zukunft, der die deutschen CO2-Emissionen bis 2045 auf Null zurückführen wird, bezweifeln wir anhand des im Szenariorahmenentwurf gelieferten Zahlenmaterials sehr stark. Insbesondere halten wir die Annahme, dass der gesamte zu importierende Wasserstoff (lt. Szenarien 50 bis 70%) aus erneuerbaren Quellen erzeugt werden kann, für abenteuerlich.

Wasserstoff wird ohne Zweifel eine wichtige Rolle bei der Dekarbonisierung der Gesellschaft spielen. Der Fokus muss aber in seiner direkten Verwertung in der Industrie (vorwiegend Chemie und Stahlerzeugung) liegen. Seine extensive Verbrennung in Gasturbinen, die später angeblich H2-ready sein sollen oder gar sein Einsatz als Energieträger zur Heizung von Gebäuden sollten hingegen soweit wie möglich minimiert werden. Die Gewinnung von Wasserstoff ist hierfür schlicht zu aufwändig und damit zu teuer, seine Handhabung zu schwierig.

Insgesamt ist Wasserstoff wohl kaum die alle Probleme lösende Wunderessenz, der nunmehr sogar ein eigener Szenariorahmen gewidmet wurde.

Dieses Dokument enthält, der althergebrachten Agenda folgend, ebenfalls keinerlei Ideen, wie man Wasserstoff im kleineren Maßstab herstellen und lokal nutzen könnte. Auch hier verweisen wir auf die Potenziale von Bürgerenergiegenossenschaften und Kommunen. Vielmehr ist die Rede vom Bau eines neuen Wasserstoffnetzes.

Konsequenzen

Wer sich heute fragt, warum extremistische Parteien demnächst die Macht in Deutschland übernehmen könnten, findet in Texten wie diesen beiden neuen Szenariorahmen einen Teil der Antwort.

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