Da wir mit vielen grundsätzlichen Aussagen des am 31.03.2022 gesendeten Scobel-Beitrags „Unter Hochspannung – Wie sicher sind unsere Stromnetze?“ nicht einverstanden waren, haben wir die Redaktion angeschrieben:
Sehr geehrte Damen und Herren,
wir haben ein paar kritische Anmerkungen zu dieser Sendung und bitten Sie, diese an das Team Scobel weiter zu leiten.
Link https://www.orangebuch.de/energiewende-in-den-oeffentlich-rechtlichen-medien/
Wir würden es begrüßen, wenn das Team Scobel mit uns in Kontakt tritt, um ggf. in künftigen Sendungen zum Thema die Sichtweise der energiepolitisch interessierten Bürger mehr in den Fokus zu rücken als die der Energielobby. Das würde meines Erachtens auch besser zu dem passen, was die Senderreihe Wissen hoch2 prinzipiell auszeichnet.
MfG – Ingolf Müller im Namen des Teams Orangebuch.
Die Antwort kam ein paar Tage später. Im Gegensatz zu unserem Schriftverkehr mit dem BMWK empfinden wir die Replik der Scobel-Redaktion als konstruktiv.
Sehr geehrter Herr Müller,
im Namen der WissenHoch2-Redaktion von 3sat bedanke ich mich für Ihre Mail und das damit verbundene Interesse an unserer Sendung „Unter Hochspannung – Wie sicher sind unsere Stromnetze?“. Wir haben Ihre Anmerkungen zur Kenntnis genommen und wissen Ihre tiefgehende Auseinandersetzung und kritische Analyse unseres Films sehr zu schätzen.
Bitte erlauben Sie uns an dieser Stelle darauf hinzuweisen, dass der dezentrale Ansatz einen sehr präsenten Aspekt unseres Films darstellt und auf die von Ihnen formulierten Forderungen teilweise auch eingegangen wurde. In diesem Zusammenhang betont beispielsweise auch einer der Experten in unserem Film, Prof. Dr. Uwe Leprich, dass die Politik in Bezug auf neue technische Lösungen endlich umdenken und dezentrale Ansätze beachten müsse.
Während unsere Wissenschaftsdokumentationen stets das Ziel verfolgen, die einzelnen Themen in ihrer Komplexität möglichst weitreichend und umfassend zu durchleuchten, bitten wir um Ihr Verständnis, dass wir aufgrund der auf 44 Minuten begrenzten Sendezeit leider nicht auf alle thematischen Aspekte und Argumente im Detail eingehen können. Wir sind daher gezwungen, einzelne Schwerpunkte zu setzen. Da zelluläre Lösungsansätze bisher noch nicht ausgereift sind bzw. erst noch entstehen, haben wir uns im Film auf die Mischung von zentralen und dezentralen Ansätzen konzentriert.
Wir hoffen, dass Sie uns als aufmerksame Zuschauer erhalten bleiben und bedanken uns für Ihr Interesse – und Ihr Verständnis!
Mit freundlichen Grüßen
(Name)
ZDF
Wir haben Prof. Leprich tatsächlich nicht vollständig zitiert. Deshalb hier zunächst die korrigierte Version unserer Analyse (inhaltliche Änderungen in blau)
Unsere Antwort an die Redaktion können wir aus Datenschutzgründen nicht vollständig wiedergeben. Inhaltlich dürfte sie dennoch unmissverständlich sein.
Sehr geehrte Frau (Name) , sehr geehrter Herr Scobel,
wir stimmen Ihnen zu, dass der dezentrale Ansatz ein präsenter Aspekt Ihres Beitrages war. Als „sehr präsent“ empfanden wir ihn hingegen nicht. Dennoch möchten wir uns dafür entschuldigen, dass wir Herrn Prof. Leprich, …, nicht vollständig zitiert haben. Es geht um sein Statement, dass die Politik in Bezug auf neue technische Lösungen endlich umdenken und dezentrale Ansätze beachten müsse. Wir haben diese Aussage in unserem Text inzwischen ergänzt.
Alles in allem bleiben wir jedoch bei unserer Einschätzung, dass der Beitrag im Grundsatz ein Plädoyer für die Beschleunigung des „unbedingt notwendigen“ Ausbaus der Übertragungsnetze ist. Damit folgt er dem politisch festgelegten Narrativ einer grundsätzlich zentralen Stromversorgung.
Zugegeben – eine Diskussion über ein Pro und Kontra zum zentralen vs. dezentralen Prinzip findet an manchen Stellen statt. Tendenziell stellt der Beitrag jedoch den dezentralen Ansatz infrage, während die, mit Verlaub gesagt, demagogischen Aussagen des Herrn Zerres unwidersprochen stehen bleiben.
Wir erlauben uns nochmals, dieses Statement von Prof. Uwe Leprich zu zitieren:
Wenn die Energiewende weiter zentral gedacht wird … dann stockt die Energiewende.
Wir würden es noch drastischer formulieren:
Wenn die Energiewende weiter zentral gedacht wird … dann scheitert die Energiewende.
Der Beitrag stützt die Meinung, die zellulären Lösungsansätze seien noch nicht ausgereift. Dem widersprechen wir ausdrücklich und berufen uns dabei u.a. auf die bereits im Jahre 2007 erstmals veröffentlichte VDE-Studie. Der gesamte europäische Netzverbund muss bei Bedarf in seine Bestandteile zerlegt werden können. Das ist nur möglich, wenn man in zellulären Strukturen denkt, die auf allen Netzebenen bereits bestehen. Was in den Verteilnetzen fehlt und unsere Netze schon dort massiv entlasten würde, sind erneuerbare Erzeuger, namentlich PV- und Windkraftanlagen nebst der dazugehörigen Speicher.
Wir stellen daher nochmals die Frage, ob Sie bereit sind, zeitnah einen zweiten Beitrag zum Thema zu senden, der sich fokussiert mit Dezentralität befasst.
Sie können auf unsere und die Zuarbeit der mit uns verbundenen Partner zählen.